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Mandanteninformationen für Unternehmer und Freiberufler Februar 2020


Liebe Mandantin, lieber Mandant,


auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!

Mit steuerlichen Grüßen


Inhalt

1.

Ist ein Crowdworker ein Arbeitnehmer?

2.

Rechtswidrige Versetzung: Arbeitgeber muss Schadensersatz zahlen

3.

Outgesourcte Dienstleistungen bei Betrieb von Geldautomaten nicht umsatzsteuerfrei

4.

Was passiert bei Vorlage unvollständiger, aber ergänzungsfähiger Rechnungen im Vorsteuervergütungsverfahren?

5.

Durchsuchungsbeschluss aufgehoben: Sachpfändung ist rechtswidrig

6.

Wann ist ein elektronischer Einspruch fristgerecht übermittelt?

7.

Wie eine innergemeinschaftliche Lieferung nachgewiesen werden kann

8.

Die Versicherungsteuerpflicht von Seeschiffen ist europarechtlich fraglich

9.

Umsatzsteuer: Verkauf von Backwaren in der Vorkassenzone unterliegt dem Regelsteuersatz

10.

Zu Unrecht ausgewiesene und vom Rechnungsempfänger gezahlte Umsatzsteuer: Besteht ein Rückzahlungsanspruch?


1. Ist ein Crowdworker ein Arbeitnehmer?

Besteht für den Crowdworker keine Verpflichtung, einen Auftrag per Klick zu übernehmen, wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Er ist deshalb kein Arbeitnehmer.

Hintergrund

Der Betreiber einer Plattform führte Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel oder in Tankstellen für Markenhersteller durch und vergab dafür Aufträge an die sog. "Crowd". Der Kläger prüfte regelmäßig für das Unternehmen die Warenpräsentation in Geschäften und Tankstellen. Als Grundlage der Übernahme von Aufträgen diente eine Basisvereinbarung zwischen den Parteien. Diese berechtigt den Crowdworker dazu, über eine App Aufträge anzunehmen, die auf der Internetplattform in einem selbst gewählten Radius von bis zu 50 km angezeigt werden. Im Fall der Übernahme, war der App-Jobber verpflichtet, den Auftrag innerhalb von 2 Stunden nach bestehenden Vorgaben abzuarbeiten.

Das Unternehmen wollte mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten und teilte ihm dies per E-Mail mit. Vor Gericht wehrte sich der Crowdarbeiter, der zuvor regelmäßig zahlreiche Aufträge für den Plattformbetreiber übernommen hatte. Aus seiner Sicht bestand zwischen ihm und dem Unternehmen ein Arbeitsverhältnis. Das Unternehmen vertrat den Standpunkt, dass der Mann als Selbstständiger tätig geworden war.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass zwischen dem Crowdworker und dem Betreiber der Internetplattform kein Arbeitsverhältnis bestand. Nach der gesetzlichen Definition des Arbeitsvertrags liegt ein solcher nur dann vor, wenn er die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit beinhaltet.

Anzeichen hierfür sind, dass der Mitarbeiter Arbeitsanweisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der geschuldeten Dienstleistung beachten muss und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingebunden ist. Maßgeblich ist aber die tatsächliche Durchführung des Vertrags.

Aus Sicht der Richter erfüllte die Basisvereinbarung die Voraussetzungen nicht, weil sie keinerlei Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen enthält. Insbesondere bestand keine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags. Auch umgekehrt verpflichtete die Vereinbarung den Auftraggeber nicht, Aufträge anzubieten.

Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage hatte der Crowdworker daher nicht den Schutz eines Arbeitnehmers. Die Basisvereinbarung konnte deshalb im vorliegenden Fall als Rahmenvertrag auch per E-Mail wirksam gekündigt werden.

2. Rechtswidrige Versetzung: Arbeitgeber muss Schadensersatz zahlen

Ob eine Versetzung rechtmäßig ist, sollte der Arbeitgeber sorgfältig prüfen. Denn bei einer unwirksamen Versetzung muss er dem Arbeitnehmer Schadensersatz leisten und ggf. auch Fahrtkosten übernehmen.

Hintergrund

Der Arbeitnehmer war seit 1997 als Metallbaumeister bei einem südhessischen Tischler- und Montageunternehmen beschäftigt. Zuletzt war er Betriebsleiter des südhessischen Standorts. Ab November 2014 wurde er vom Arbeitgeber für mindestens 2 Jahre in die sächsische Niederlassung des Unternehmens versetzt. Die Entfernung betrug ca. 480 km.

Der Arbeitnehmer leistete zwar der Aufforderung Folge, klagte jedoch gegen seine Versetzung. Während seines Einsatzes in der sächsischen Niederlassung mietete er eine Zweitwohnung an. Außerdem pendelte er mit seinem Privatfahrzeug regelmäßig sonntags und freitags zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnung.

Die Klage gegen die Versetzung hatte Erfolg, der Arbeitnehmer konnte ab Oktober 2016 wieder in Südhessen arbeiten. 2016 forderte er mit einer weiteren Klage Schadensersatz vom Arbeitgeber. Er verlangte u. a. die Erstattung der Kosten für seine wöchentlichen Heimfahrten mit dem privaten Pkw.

Entscheidung

Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Die obersten Arbeitsrichter bestätigten die Entscheidung der Vorinstanz insoweit, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber als Schadensersatz die Erstattung der Kosten verlangen durfte, die ihm für die wöchentlichen Fahrten mit seinem privaten Pkw zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen entstanden waren.

Bei der Berechnung der Fahrtkosten waren die Regelungen des Justizvergütungs- und Justizentschädigungsgesetzes (JVEG) über den Fahrtkostenersatz heranzuziehen. Für jeden gefahrenen Kilometer war danach ein Kilometergeld i. H. v. 0,30 EUR zu zahlen.

3. Outgesourcte Dienstleistungen bei Betrieb von Geldautomaten nicht umsatzsteuerfrei

Umsätze im Zahlungsverkehr sind umsatzsteuerfrei. Dazu zählen nicht outgesourcte Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Geldautomaten, wie z. B. Aufstellung, Wartung und Befüllung der Automaten.

Hintergrund

Die Cardpoint GmbH stellte für eine Bank mit Soft- und Hardware ausgestattete Geldautomaten auf. Diese waren mit dem Logo der Bank versehen. Cardpoint war für den ordnungsgemäßen Betrieb verantwortlich und übernahm die Bargeldbefüllung der Automaten, installierte und pflegte die Software, beriet zum laufenden Betrieb und veranlasste den Datenaustausch zwischen dem Inhaber der Geldkarte und der die Karte ausgebenden Bank und gab im Genehmigungsfall das Geld durch den Automaten aus.

Das Finanzamt beurteilte die Leistungen als umsatzsteuerpflichtig. Das Finanzgericht bejahte dagegen die Umsatzsteuerfreiheit, da es sich seiner Ansicht nach um Umsätze im Zahlungsverkehr handelte.

Im Revisionsverfahren legte der Bundesfinanzhof dem Europäischen Gerichtshof die Problematik vor, ob Dienstleistungen für eine einen Geldautomaten betreibende Bank steuerfrei sind. Der Europäische Gerichtshof beantwortete diese Vorlagefrage dahin, dass kein steuerbefreiter Umsatz im Zahlungsverkehr vorliegt, wenn folgende Dienstleistungen erbracht werden:

Aufstellung, Wartung, Befüllung von Bankautomaten,

Ausstattung der Automaten mit Hard- und Software zum Einlesen der Geldkartendaten,

Weiterleitung von Autorisierungsanfragen wegen Bargeldabhebungen an die die Geldkarte ausgebende Bank,

Vornahme der gewünschten Bargeldauszahlung,

Generierung eines Datensatzes über die Auszahlungen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof schloss sich der Beurteilung durch den Europäischen Gerichtshof an. Der Begriff des Zahlungsverkehrs in § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG entspricht der des Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL.

Danach waren die Leistungen der Cardpoint GmbH steuerpflichtig. Die von ihr erbrachten Dienstleistungen waren nicht geeignet, die nach dem EuGH-Urteil Cardpoint erforderlichen rechtlichen und finanziellen Änderungen herbeizuführen, die einen "Umsatz im Zahlungsverkehr" charakterisieren. Allein die den Geldausgabeautomaten betreibende Bank spielte die Datensätze in das System der Bundesbank ein. Auf eine Unverzichtbarkeit der von Cardpoint erbrachten Leistung kommt es nicht an. Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Gegenleistung und damit der Bemessungsgrundlage bestanden nicht.

4. Was passiert bei Vorlage unvollständiger, aber ergänzungsfähiger Rechnungen im Vorsteuervergütungsverfahren?

Im Vorsteuervergütungsverfahren muss der Antragsteller eine Rechnung vorlegen. Dieser Verpflichtung genügt er, wenn er innerhalb der Antragsfrist ein Dokument einreicht, das den Mindestanforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung entspricht.

Hintergrund

Die in den Niederlanden ansässige X-Gesellschaft stellte in elektronischer Form u. a. für 2 Positionen einen Antrag auf Vorsteuervergütung.

Der Antrag bezog sich zum einen auf eine Rechnung der A-Beton KG. Hierbei handelte es sich um eine Nachberechnung der 19-prozentigen Umsatzsteuer. Das Dokument enthielt Angaben zum Namen und zur Anschrift von Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger, zum Rechnungsdatum, zur Rechnungsnummer und zum Entgelt. Zum Leistungsgegenstand wies die Rechnung auf ein Bauvorhaben X-Straße hin. Dem Antrag war nur dieses Dokument in elektronischer Form ohne die in Bezug genommenen Rechnungen beigefügt.

Der Antrag bezog sich zum anderen auf eine Rechnung der B-Transportbeton KG mit Steuerausweis. Dem Antrag war lediglich die 4. Seite der Rechnung beigefügt, auf der Teile des Liefergegenstandes nach Baustelle, Liefertag und Menge sowie Rechnungsnummer, Rechnungsdatum, Entgelt und Steuerausweis sowie Angaben zum Namen und zur Anschrift von Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger aufgeführt waren. Die Seiten 1 bis 3 der Rechnung fehlten.

Das Bundeszentralamt für Steuern lehnte eine Vergütung ab. Im Einspruchsverfahren reichte X die 3 in Bezug genommenen Rechnungen zum 1. Antrag sowie die vollständige Rechnung zum 2. Antrag nach. Das Bundeszentralamt für Steuern wies den Einspruch mangels Vorlage vollständiger Rechnungen innerhalb der Antragsfrist zurück.

Entscheidung

Dem elektronischen Vergütungsantrag sind die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen enthalten keine eigenständige Definition der Rechnung. Der Begriff ist daher entsprechend dem allgemeinen Rechnungsbegriff i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG zu verstehen.

Unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Anforderungen liegt eine berichtigungsfähige Rechnung vor, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht berichtigt werden.

Hieraus folgt für das Vergütungsverfahren, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung zur Rechnungsvorlage genügt, wenn er innerhalb der Antragsfrist seinem Antrag ein Rechnungsdokument in Kopie beifügt, das den Mindestanforderungen gerecht wird. Denn wenn eine solche Rechnung aufgrund einer nachträglichen Berichtigung rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Erteilung zum Vorsteuerabzug berechtigt, genügt die Vorlage auch zur Wahrung der Antragsfrist im Vergütungsverfahren.

Die im vorliegenden Fall dem Bundeszentralamt für Steuern vorgelegten Rechnungskopien enthielten unter Berücksichtigung der Firmenbezeichnungen der Leistenden die erforderlichen Mindestangaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. X konnte demnach die vollständigen Rechnungsdokumente mit Rückwirkung nachreichen.

5. Durchsuchungsbeschluss aufgehoben: Sachpfändung ist rechtswidrig

Wird ein Durchsuchungsbeschluss nachträglich aufgehoben, führt dies dazu, dass eine bereits durchgeführte Durchsuchung mit allen dabei vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig wird.

Hintergrund

3 Behörden richteten mehrere Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt, da der Vollstreckungsschuldner V trotz Zahlungsaufforderung und Mahnung Forderungen nicht beglichen hatte. Nachdem V wiederholt vom Vollziehungsbeamten des Finanzamts nicht angetroffen worden war, erließ das Amtsgericht auf Antrag des Finanzamts im Dezember 2015 eine Durchsuchungsanordnung für Wohnung und Geschäftsräume des V. Die zu vollstreckenden Beträge wurden darin nicht genannt. Die Vollziehungsbeamten des Finanzamts pfändeten daraufhin im Januar 2016 u. a. einen Pkw. Im Mai 2016 tilgte V die Forderungen, das Finanzamt hob anschließend die Pfändungen auf.

Das Landgericht hob im Juni 2016 den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts auf, weil die beizutreibenden Beträge in der Durchsuchungsanordnung nicht bezeichnet worden waren.

V hatte gegen die später aufgehobene Pfändung Einspruch eingelegt, der im Februar 2017 zurückgewiesen wurde. V erhob Feststellungsklage beim Finanzgericht mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Pfändung festzustellen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof stellte fest, dass die Sachpfändung rechtswidrig war.

Das Finanzamt kann auf Geldleistung gerichtete Verwaltungsakte auf Ersuchen einer anderen Behörde vollstrecken. Die für die Durchsuchung der verschlossenen Garage notwendige Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts vom Dezember 2015 war jedoch durch das Landgericht mit Beschluss vom Juni 2016 als rechtswidrig aufgehoben worden.

Die Beteiligten sind an die Entscheidung des Landgerichts gebunden. Das Finanzgericht war nicht befugt, die Entscheidung des Landgerichts auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Denn für Beschwerden gegen die von den ordentlichen Gerichten erlassenen Durchsuchungsanordnungen sind diese zuständig. Aufgrund der Aufhebung des Durchsuchungsbeschlusses stand demnach fest, dass es keinen rechtmäßigen Durchsuchungsbeschluss gab.

Die Aufhebung hatte zur Folge, dass die bereits durchgeführte Durchsuchung mit allen dabei vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig wurde. Die getroffenen Maßnahmen blieben zwar wirksam, wurden aber, da rechtswidrig, anfechtbar.

6. Wann ist ein elektronischer Einspruch fristgerecht übermittelt?

Wird ein Einspruchsschreiben aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach an ein besonderes elektronisches Behördenpostfach gesendet, kann damit die Einspruchsfrist gewahrt werden.

Hintergrund

Die Antragstellerin legte Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2015 ein. Ihr Bevollmächtigter übermittelte einen Einspruch nebst Antrag auf Aussetzung der Vollziehung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach auf elektronischem Weg an das besondere elektronische Behördenpostfach des zuständigen Finanzamts. Dieses war im elektronischen Empfängerverzeichnis aufgeführt. Da das Finanzamt den elektronischen Eingang nicht erhielt, mahnte es die Steuerzahlung nach Fälligkeit an. Es ließ zudem eine Sachstandanfrage der Antragstellerin unbeantwortet, sodass diese einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht stellte.

Das Finanzamt ist der Auffassung, dass der Einspruch verfristet und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen ist. Denn von dem Einspruch erlangte es erstmals mit der Übermittlung der Antragsschrift durch das Finanzgericht Kenntnis.

Entscheidung

Das Finanzgericht gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Seiner Ansicht nach waren die angefochtenen Verwaltungsakte nicht bestandskräftig geworden. Die Einspruchsfrist wurde mit der Übersendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das besondere elektronische Behördenpostfach gewahrt. Das Finanzamt eröffnete den Zugang zur Übermittlung elektronischer Dokumente konkludent, indem es ein besonderes elektronisches Behördenpostfach eingerichtet hat und im amtlichen Verzeichnis des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs aufgelistet war. Dies werteten die Richter als konkludente Eröffnung des Zugangs für die Übermittlung elektronischer Dokumente.

Ob der Einspruch tatsächlich auf dem besonderen elektronischen Behördenpostfach eingegangen war, konnte im Ergebnis dahinstehen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass trotz positivem Sendebericht ein elektronisches Dokument nicht an den Empfänger gelangt. Jedenfalls war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

7. Wie eine innergemeinschaftliche Lieferung nachgewiesen werden kann

Vernimmt das Finanzgericht einen Zeugen, muss es die Ergebnisse der Vernehmung bei der Entscheidung berücksichtigen. Die glaubhafte Zeugenaussage geht dem mangelhaften Belegnachweis vor.

Hintergrund

Die A-GmbH lieferte im Jahr 2007 3 Pkw in die Slowakische Republik. Nach den schriftlichen Kaufverträgen war Käuferin die Firma N mit Sitz in der Slowakei. A lagen ein Handelsregisterauszug der N und eine bestätigte Abfrage der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der N vor. Der Geschäftsführer der N war allerdings in Ungarn ansässig. Auf ihrem Briefpapier gab die N Telefon- und Faxnummern mit ungarischer Vorwahl an. A nahm für die 3 Fahrzeuglieferungen die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch.

Das Finanzamt behandelte die Lieferungen dagegen als steuerpflichtig. Das Finanzgericht bestätigte die Steuerpflicht wegen fehlenden Belegnachweises, obwohl ein Zeuge die Beförderung zum angegebenen Bestimmungsort in der Slowakei bestätigt hatte.

Entscheidung

Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung muss nachgewiesen werden. Erforderlich ist ein Beleg- und ein Buchnachweis.

Im vorliegenden Fall wurde die Versendung in die Slowakische Republik durch die Zeugenaussage nachgewiesen. Steht aufgrund einer Beweiserhebung fest, dass die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt werden. Zwar ist das Finanzgericht bei einem fehlenden Belegnachweis nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung durchzuführen. Hat es aber eine Beweiserhebung durchgeführt, bei der sich eindeutig die Versendung zum Bestimmungsort ergibt, muss es dieses Beweisergebnis zugrunde legen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Zeugenaussage nicht glaubhaft ist.

Für den Buchnachweis muss der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig – eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung ersichtlich – nachweisen. Die A-GmbH hat den Erwerb durch die Firma N als Unternehmer für ihr Unternehmen mit Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung entsprechend buchmäßig durch die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der N nachgewiesen.

Auch bei der innergemeinschaftlichen Lieferung rechtfertigt die bloße Angabe einer Briefkastenanschrift nicht den Schluss auf eine fehlende Unternehmereigenschaft des Abnehmers. Dem Identifizierungserfordernis wird durch die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in Verbindung mit den Angaben zu Namen und Anschrift des Abnehmers genügt.

Im vorliegenden Fall liegen schriftliche Kaufverträge mit der N vor. Es steht jedoch nicht fest, ob es sich um Scheingeschäfte gehandelt hat, mit denen Lieferbeziehungen zwischen der A-GmbH und Käufern in Ungarn verdeckt werden sollten. Für Scheingeschäfte zwischen der A-GmbH und der Firma N könnten die Umstände der Geschäftsanbahnung und der Kaufpreiszahlung sprechen. Der Bundesfinanzhof hob daher das Finanzgerichtsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung der Abnehmereigenschaft an das Finanzgericht zurück.

8. Die Versicherungsteuerpflicht von Seeschiffen ist europarechtlich fraglich

Ist es europarechtlich zulässig, dass allein aufgrund der Eintragung in ein deutsches Register eine Versicherungsteuerpflicht für ein Seeschiff entstehen kann? Mit dieser Frage muss sich der Europäische Gerichtshof beschäftigen.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige Versicherung, die weltweit Marineversicherungen anbietet. U. a. war sie als Versicherer für verschiedene deutsche GmbHs tätig, die in das Handelsregister in Hamburg eingetragen waren. Der Gesellschaftszweck lag jeweils in dem Betrieb eines Seeschiffs. Die jeweiligen Seeschiffe waren hierbei in das Seeschiffsregister beim Amtsgericht Hamburg eingetragen. Die Seeschiffe führten jedoch nicht die deutsche Flagge, sondern die eines anderen Staates. Das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie erteilte die entsprechenden Genehmigungen.

In allen Fällen wurden die Schiffe sodann in das Schiffsregister des Flaggenstaats (Malta oder Liberia) eingetragen. Es blieb aber bei einer Eintragung in das deutsche Register für die Zeit der Ausflaggung.

Das zuständige Bundeszentralamt für Steuern sah in dieser Konstellation eine Versicherungsteuerpflicht als gegeben an. Denn nach der entsprechenden gesetzlichen Regelung ist allein die Eintragung in ein deutsches Register maßgeblich. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht sah die Europarechtskonformität der maßgeblichen Bestimmung im deutschen Versicherungsteuergesetz als fraglich an. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof war deshalb zwingend vorzunehmen. Nach dem deutschen Recht besteht eine Versicherungsteuerpflicht u. a. dann, wenn die Versicherung mit einem in der EU bzw. dem EWR ansässigen Versicherungsunternehmen abgeschlossen wird und im Falle eines Fahrzeugs dieses in ein deutsches Register eingetragen ist. Diese Voraussetzungen waren hier unstreitig erfüllt. Das Finanzgericht hatte allerdings Bedenken, ob dieses nationale Recht mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Nach diesem liegt das Besteuerungsrecht dort, wo das Risiko belegen ist. Vor diesem Hintergrund war fraglich, ob das Risiko in Deutschland belegen ist. Damit war eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

9. Umsatzsteuer: Verkauf von Backwaren in der Vorkassenzone unterliegt dem Regelsteuersatz

Verkauft eine Bäckerei in der sog. Vorkassenzonen ihre Waren über den Ladentresen, fällt dies unter den Regelsteuersatz. Das gilt zumindest dann, wenn die Kunden zum Verzehr die von der Bäckerei bereit gestellten Tische und Stühle nutzen können und ihnen Geschirr und Besteck zur Verfügung gestellt wird.

Hintergrund

Die Klägerin betrieb Konditoreien und Cafés im nicht abgetrennten Eingangsbereich von Lebensmittelmärkten (sog. Vorkassenzonen). Die Backwaren wurden über den Ladentresen verkauft. Die Kunden konnten zum Verzehr die teils mit Tischdecken und Blumenschmuck versehenen, von der Klägerin vorgehaltenen Tische und Stühle nutzen. Das Geschirr mussten sie selbst abräumen. Das Personal war ausschließlich als Verkaufspersonal für Backwaren angestellt, nicht als gastronomisch qualifiziertes Fachpersonal. Das Finanzamt unterwarf diese Umsätze dem Regelsteuersatz. Die Klägerin ist der Meinung, dass es sich nicht um dem Regelsteuersatz unterliegende Restaurationsumsätze handelte. Insbesondere konnten auch von Besuchern der Supermärkte die Tische und Stühle zum bloßen Verweilen genutzt werden.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die zum Verzehr an Ort und Stelle angebotenen Backwaren unterlagen als sonstige Leistungen dem Regelsteuersatz.

Die Klägerin verkaufte ihren Kunden nicht nur Backwaren, sondern erbrachte zusätzliche Dienstleistungen, indem sie für den Verzehr teilweise mit Dekoration versehene Tische und Sitzmöglichkeiten sowie Geschirr zur Verfügung stellte und das Geschirr durch ihre Mitarbeiter wieder einsammeln und reinigen und auch das Mobiliar durch die Mitarbeiter sauber halten ließ. Hierbei handelte es sich nicht um bloß behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen. Dass kein Kellnerservice bestand, führte nicht zu einer anderen Beurteilung.

Die Verzehrvorrichtungen werden dem Essensverkäufer zugerechnet, wenn diese nach den objektiven Gegebenheiten ausschließlich zur Nutzung durch die Kunden der Bäckereifilialen bestimmt waren. Vorliegend war nach Auffassung des Finanzgerichts das Mobiliar ausschließlich zur Nutzung durch die Kunden der Bäckereifilialen vorgesehen. Dies ergab sich insbesondere aus der räumlichen Anordnung in unmittelbarer Nähe der Verkaufstheken, der Farbe der Möbel, der vom übrigen Boden abweichenden Bodenfarbe und der entsprechenden Dekoration.

10. Zu Unrecht ausgewiesene und vom Rechnungsempfänger gezahlte Umsatzsteuer: Besteht ein Rückzahlungsanspruch?

Ein Direktanspruch auf Rückzahlung von Umsatzsteuer gegen die Finanzverwaltung setzt voraus, dass der Rechnungsaussteller eine Leistung an den Rechnungsempfänger erbracht hat, für die er Umsatzsteuer in der Rechnung zu Unrecht ausgewiesen hat.

Hintergrund

Die A-GmbH, ein Bauunternehmen, zog für ihre Industriebaustellen überwiegend das Einzelunternehmen HC (Inhaberin GM) als Subunternehmer heran. Sie machte den Vorsteuerabzug aus Rechnungen geltend, die HC mit Steuerausweis erteilte. Die Rechnungen, die von der GmbH bezahlt wurden, standen in Zusammenhang mit Tätigkeiten, die JM, der Ehemann von GM, für die GmbH ausgeübt hatte. Insgesamt bezahlte die GmbH an HC rund 100.000 EUR Umsatzsteuer.

Nach Ansicht des Finanzamts handelte es sich bei den von HC abgerechneten Leistungen um Tätigkeiten, die nicht HC, sondern JM als Arbeitnehmer im Rahmen eines zu der GmbH bestehenden Arbeitsverhältnisses leistete. Deshalb versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug der GmbH aus den Rechnungen der HC. Darüber hinaus lehnte es einen Antrag, die Vorsteuer aus Billigkeitsgründen zu belassen, ab.

In 2012 wurde GM zivilrechtlich verurteilt, an die GmbH 105.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen und Kosten zu erstatten. In 2013 berichtigte GM (als Inhaberin von HC) die der GmbH erteilten Rechnungen und machte gegenüber dem Finanzamt Berichtigungsansprüche geltend, die sie zur Tilgung der ihr gegenüber titulierten Forderungen an die GmbH abtrat. Das Finanzamt zahlte darauf in 2013 an die GmbH 97.000 EUR.

In 2012 beantragte die GmbH erneut, die Vorsteuer aus den Eingangsrechnungen der HC im Billigkeitswege zum Abzug zuzulassen, da GM nicht in der Lage war, Zahlungen zu leisten. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ebenfalls ab. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof wies die Revision der GmbH zurück. Nur die Steuer berechtigt zum Vorsteuerabzug, die für die in Rechnung gestellte Leistung gesetzlich geschuldet wird. Folglich hat der Leistungsempfänger eine gezahlte Umsatzsteuer, die nur in Rechnung gestellt, nicht aber gesetzlich geschuldet war, vom Rechnungsaussteller zurückzufordern.

Ist jedoch die Rückforderung vom Rechnungsaussteller – insbesondere wegen Zahlungsunfähigkeit – übermäßig erschwert, kann der Rechnungsempfänger von der Finanzverwaltung im Rahmen eines sog. Direktanspruchs die "Rückzahlung" der gesetzlich nicht geschuldeten, aber gleichwohl in einer ansonsten ordnungsgemäßen Rechnung ausgewiesenen und gezahlten Umsatzsteuer verlangen.

Der Direktanspruch setzt allerdings voraus, dass der Rechnungsaussteller die in der Rechnung als steuerpflichtig abgerechnete Leistung tatsächlich erbracht hat. Damit genügt der bloße Steuerausweis in einer Rechnung für die Entstehung des Direktanspruchs nicht.

Im vorliegenden Fall fehlte es an der entsprechenden Erbringung einer Leistung durch HC. Denn nicht das Subunternehmen HC, sondern JM, der Ehemann der Inhaberin von HC, ist als Arbeitnehmer der GmbH (Leistungsempfängerin) tätig gewesen.



Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung,

Stephan Gißewski
Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de